Infrastruktur-Zukunftsgesetz: Lob und Kritik am Regierungsentwurf

18.12.2025 14:12 Uhr | Lesezeit: 3 min
Arbeiten an der neuen Schleuse in Terneuzen.
Das Infrastruktur-Zukunftsgesetz soll Genehmigungen beschleunigen (Symbolbild).
© Foto: ANP/Picture Alliance

Das neue Infrastruktur-Zukunftsgesetz sorgt für kontroverse Reaktionen: Während die Wasserstraßenbranche den Schritt begrüßt, warnt die Schutzgemeinschaft Nordseeküste vor Risiken für Umwelt und Küstenschutz.

Mit der Verabschiedung des Regierungsentwurfs für das Infrastruktur-Zukunftsgesetz am Mittwoch, den 17. Dezember, verfolgt die Bundesregierung das Ziel, Planungs- und Genehmigungsverfahren für zentrale Infrastrukturprojekte deutlich zu beschleunigen. Der Entwurf umfasst Maßnahmen für Brücken, Bahnstrecken, Autobahnen, Wasserstraßen, Lkw-Parkplätze und Kraftwerke. Die Resonanz fällt höchst unterschiedlich aus.

Schutzgemeinschaft Nordseeküste warnt vor Umweltfolgen

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) sieht im Infrastruktur-Zukunftsgesetz einen „tiefgreifenden Paradigmenwechsel im Infrastruktur-, Umwelt- und Raumordnungsrecht“. Besonders kritisch bewertet die Organisation, dass der hochsensible Küsten- und Meeresraum im Entwurf „faktisch nicht vorkommt“.
„Mit ihm erfahren zentrale Schutzinstrumente zugunsten einer pauschal privilegierten Infrastruktur eine systematische Entwertung“, warnt die SDN. Umweltrechtliche Vorgaben sollen künftig nur noch im Rahmen eines „angemessenen Verhältnisses“ gelten.
Als zentralen Hebel sieht die SDN das „überragende öffentliche Interesse“, das „nahezu inflationär“ angewendet werden könne. Damit drohten Einschränkungen des Umweltverbandsklagerechts sowie eine Aushebelung von Bürger- und Länderbeteiligung. Zudem kritisiert die Schutzgemeinschaft, dass zerstörte Flächen nicht mehr ökologisch ausgeglichen, sondern durch Geldzahlungen ersetzt werden sollen – ein Bruch mit dem Vorsorge- und Vermeidungsprinzip.

Die Schutzgemeinschaft fordert daher unter anderem:

  • Streichung des pauschalen Schutzgütervorrangs für Wasserstraßen- und Küsteninfrastruktur
  • Uneingeschränkte Beibehaltung von UVP-, FFH- und Raumordnungsprüfungen
  • Ausschluss der Gleichrangigkeit von Ersatzgeldzahlungen im Küsten- und Meeresraum
  • Verbindliche Sonderregelungen zum Schutz von Küsten- und Meeresgebieten
  • Rücknahme der sicherheitspolitischen Überhöhung ziviler Infrastrukturprojekte

Wasserstraßenbranche begrüßt Priorisierung

Ganz anders bewertet die Initiative System Wasserstraße (ISW) den Regierungsentwurf. „Endlich wird auch den dringenden Ersatzneubauten von Schleusen und Wehren sowie ausgewählten Ausbauprojekten der Wasserstraße attestiert, dass sie im ‚überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen‘“, erklärt Jens Schwanen, ISW-Sprecher und Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschifffahrt, womit die bisherige Zurücksetzung der Wasserstraße gegenüber Straße und Schiene korrigiert werde.

Von der Einstufung als „im überragenden öffentlichen Interesse“ und „der öffentlichen Sicherheit dienend“ erwartet die ISW im Gegensatz zur SDN eine Erleichterung bei der Abwägung von Genehmigungsbehörden und Gerichten gegenüber konkurrierenden Belangen. „Grundsätzlich würden wir uns für den umwelt- und klimafreundlichen Verkehrsträger Binnenschiff natürlich wünschen, dass alle vordringlichen Neu- und Ausbauprojekte des Bundesverkehrswegeplans 2030 in den Genuss dieser Priorisierung kommen, nicht nur die Vorhaben mit dem Zusatz „Engpassbeseitigung“."

ISW-Sprecherin Heike van Hoorn hebt zudem die geplante Digitalisierung hervor: „Sehr gut ist, dass endlich Digitalisierung gelebt werden soll, insbesondere durch die Umstellung von analogen auf digitale Planungs- und Beteiligungsprozesse.“

Auch die Einführung einer Genehmigungsfiktion bewertet die Initiative als Fortschritt: „Wenn Länderbehörden nicht binnen drei Monaten ihre Zustimmung zu einer Maßnahme ausdrücklich verweigern, gilt sie als erteilt. Damit wird dem Verschleppen von Entscheidungen wirksam vorgebeugt“, so Thomas Gross, ebenfalls ISW-Sprecher und Vorsitzender der Bundesfachabteilung Wasserbau im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, und begrüßt zudem, dass die Kosten von Bundesstraßen- und Bahnbrücken über Kanäle künftig hälftig geteilt werden sollen: „Jede Stunde, die Planungsfachkräfte des Bundes nicht mit Kostenberechnungen verbringen müssen, kann in die eigentliche Planungsarbeit fließen.“

Chancen und Risiken im Fokus

Während die Wasserstraßenbranche den Entwurf als längst überfälligen Schritt sieht, warnt die Schutzgemeinschaft Nordseeküste vor einer einseitigen Priorisierung zulasten von Umwelt und Küstenschutz. Ob das Gesetz in seiner jetzigen Form Bestand hat, wird sich im parlamentarischen Verfahren zeigen: Der 116-seitige Gesetzentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium wird in diesen Tagen im Kabinett behandelt und soll Mitte 2026 im Bundestag verabschiedet werden.

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